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matton, so lange es galt, bloß Mißbrauche abzustellen, trat
jetzt öffentlich gegen Luther auf und bereuete, dessen Sache durch
frühere Schriften befördert zu haben.
Die neue Kirchengemeinde beschrankte sich bald nicht bloß
auf das Gebiet des Kurfürsten; sie fand auch nach und nach
in Sachsen, Thüringen, Hessen, Mecklenburg, einzelnen Thei-
len von Braunschweig, in dem Ordenslande Preußen, — welches
dadurch im Jahre 1525 in ein erbliches Herzogthum für den
deutschen Hochmeister Albrecht von Brandenburg ver-
wandelt wurde, — wie auch in Dänemark und Schweden
Eingang. Nicht unbedeutende äußere Vortheile erwuchsen den
einzelnen Fürsten aus der Einführung der Reformation in ihre
Staaten. Alle Verbindung mit Rom ward dadurch aufgehoben;
die Rechte, welche früher die Bischöfe ausgeübt hatten, er-
hielten sie jetzt selbst und wurden so freie und unumschränkte
Herrscher ihrer Staaten. Auch kamen sie durch die Aufhebung
der vielen Stifter und Klöster in den unabhängigen Besitz
reicher Kirchengüter.
Das Haus Habsburg dagegen, welches unter Karl V.
mit der Kaiserkrone noch Spanien und die Niederlande ver-
band und eben damals Ungarn erwarb, blieb der katholischen
Kirche treu und wurde in seinen Bemühungen zu Gunsten
derselben von den bayerischen Herzogen unterstützt. Jedoch ver-
mochte der Kaiser bei all' seiner Machtfülle nicht, das Ein-
dringen der neuen Lehre in die österreichischen Erblande zu
hindern. Von Wittenberg aus wurde sie durch Schriften und
Prediger dahin verbreitet. So kam der früher erwähnte Karl-
stadt nach Tirol, Hubmeyr nach Mähren, Speratus nach Wien;
Luther selbst schrieb Briefe nach Böhmen und Ungarn. Der
Kaiser war durch die Sorge für sein weites Reich zu vielfach
in Anspruch genommen, als daß er gegen die Ausbreitung
derselben kräftig und durchgreifend hätte auftreten können. Wir
wollen deshalb zuvor den Faden der Weltgeschichte seit dem
Tode des Kaisers Maximilian wieder aufnehmen.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: len_von_Braunschweig Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Karl_V. Karl_V. Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Hessen Mecklenburg Dänemark Schweden Rom Spanien Niederlande Wittenberg Wien Ungarn
38
nahm an der Disputation Theil. Diese Disputation hatte
aber den Ausgang, welchen dergleichen Streitigkeiten gewöhn-
lich haben; statt die Gemüther zu vereinigen, erzeugte sie nur
noch größere Erbitterung. Luther, den cs äußerst kränkte,
daß die Leipziger den Sieg seinem Gegner Eck zuschrieben und
diesem dafür große Ehre erwiesen, faßte nun den Entschluß,
mit verdoppeltem Eifer auf der einmal gebrochenen Bahn
weiter zu eilen. Hatte er anfangs, wie schon Viele vor ihm,
nur gegen Mißbräuche des Ablasses geeifert, so verwarf er
bald auch den Ablaß selbst. Und weil ihm seine Gegner
das Ansehen des Papstes, als des sichtbaren Oberhauptes der
christlichen Kirche, unablässig entgegenstellten; so läugnete er
auch dieses und trennte sich so nach und nach in mehreren
wesentlichen Punkten von den Lehren und Satzungen der ka-
tholischen Kirche.
Endlich, da alle gütlichen Mittel zur Beilegung des Strei-
tes fruchtlos waren, schritt der Papst zur feierlichen Entschei-
dung (1520). Er erklärte einundvierzig aus Luther's Schrif-
ten gezogene Sätze als irrig und der katholischen Lehre zu-
wider und forderte ihn zum Widerrufe auf, wozu ihm noch
zwei Monate Bedenkzeit gelassen wurden; und erst, wenn er
nach Ablauf dieser ihm gewährten Frist die Anerkennung der
wahren Lehre beharrlich verweigern würde, sollte er als Ketzer
angesehen und als solcher behandelt werden. Obschon die
Bulle mehr im Tone väterlicher Betrübniß, als strafender
Härte abgefaßt war, so verfehlte sie doch jetzt um so mehr
ihre Wirkung, weil der Papst die Verkündigung und Voll-
streckung derselben gerade dem größten Gegner Luther's, dem
Doctor Eck, aufgetragen hatte, welcher gleich nach der Leipziger
Disputation nach Rom gereiset war. Denn nun ließ sich
Luther von der Heftigkeit seines Charakters so weit hinreißen,
daß er am 10. Dezember 1520 nach einer vorhergegangenen
öffentlichen Bekanntmachung an der Spitze eines großen Volks-
Haufens die päpstliche Bulle nebst dem alten Kirchenrechte vor
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67
ihn des Anblickes des ersten großen Bürgerkrieges. Seine
Leiche ward unter festlichem Gepränge von Eisleben nach Wit-
tenberg gebracht und in der Gruft der Schloßkirche feierlich
beigesetzt. Melanchthon lebte noch vierzehn Jahre länger;
dann wurde ihm neben Luther die Grabstätte angewiesen.
Zwei Metallplatten decken noch jetzt die Ruhestätte der beiden
Reformatoren. *)
14. Der schmalkaldische Krieg (1546—1547).
Nur wenige Monate nach Luther's Tode brach der schmal-
kaldische Krieg aus. Der Kaiser war noch nicht einmal zur
Gegenwehr gerüstet, als schon die Truppen der oberländischen
Städte, geführt von dem kampfgeübten, vielerfahrenen Se-
bastian Schärtlin von Burtenbach, einem persönlichen
Feinde des Kaisers, im Felde erschienen. Schärtlin's wohlbe-
rechneter Plan war, das kaiserliche Heer, welches kaum aus
achttausend Mann bestand, zu vernichten, ehe der Kaiser in
Deutschland Truppen werben, oder Verstärkung aus Italien
und den Niederlanden an sich ziehen könne. Deswegen rückte
er schnell gegen das Städtchen Füssen, auf der Grenze von
Tirol, den bedeutendsten Werbeplatz des Kaisers. Die Kaiser-
lichen zogen sich nach Bayern zurück, und als Schärtlin sie
verfolgen wollte, erhielt er vom Augsburger Stadtrath, dessen
Dienstmann er war, den Befehl, das neutrale Gebiet des Her-
zoges von Bayern nicht zu betreten. So wurde der Plan des
kühnen Feldherrn, Regensburg selbst anzugreifen, wo sich noch
immer der Kaiser mit seiner kleinen Macht befand, vereitelt.
Um den italienischen Truppen den Durchgang zu versperren,
besetzte er schnell die Ehrenberger Klause, den wichtig-
sten Paß aus Italien nach Deutschland. Schon machte er
Anstalt, weiter über die Alpen zu rücken, der Stadt Jnnspruck
sich zu bemächtigen, und mithin beide Wege, welche aus Jta-
*) In neuerer Zeit ist für jeden auch ein besonderes Denkmal zu
Wittenberg errichtet worden, für Luther 1821, sur Melanchthon 1860.
5*
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32
5. Ausbruch der Reformation.
Futher 1517. — Zwingli. Calvin.
Der Papst Julius Ii. hatte den großen Plan gefaßt,
in der Hauptstadt der christlichen Welt zur Ehre des Apostel-
fürsten Petrus eine prachtvolle Kirche, die größte und schönste
der Welt, zu erbauen, und zwar in der Art, daß die gesammte
Christenheit durch vereinte Mittel und Kräfte diesen Pracht-
bau als Ausdruck ihrer frommen gläubigen Einheit Herstellen
sollte. Zu diesem Ende ließ er und sein Nachfolger Leo X.
in allen Ländern für Jene, welche in wahrer Reue ihre Sün-
den beichten und zu diesem frommen Werke des Kirchenbaucö
einen milden Beitrag leisten würden, in herkömmlicher Weise
einen vollkommenen Ablaß verkünden. Mit der Ausführung
dieser Verkündigung in Deutschland wurde der Kurfürst Al-
brecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magde-
burg, beauftragt, welcher das Geschäft dem Dominikanerorden
empfahl. Von diesem ward der vorerwähnte Johann Tctzel
als Ablaßprediger ausgesandt, der sich mit seinen Genossen
bald über ganz Sachsen verbreitete. Nicht zufrieden, den
Ablaß von der Kanzel herab zu verkünden, sollen sie ihn
sogar auf Straßen und Märkten, in Wirths- und Privat-
häusern, wie eine gemeine Waare öffentlich zum Verkaufe
ausgeboten haben. Mag auch Manches, was über eine solche
marktschreierische Thätigkeit Tetzel's und seiner Genossen be-
richtet wird, entstellt und weit über das Maß der Wirklichkeit
hinaus vergrößert worden sein; auf jeden Fall ermangelte ihr
Verfahren bei Anpreisung des Ablasses der gehörigen Würde
und gab Anstoß. Es stand zu erwarten, daß, sobald nur
Einer den Muth habe, gegen den vorkommenden Mißbrauch
öffentlich aufzutreten, alle Mißvergnügten sogleich seine Partei
ergreifen würden.
Luther (1517). — Damals lebte als Lehrer an der Hoch-
schule zu Wittenberg der Augustinermönch Martin Luther,
der wegen seiner großen Gelehrsamkeit und unbescholtenen Sitt-
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Extrahierte Personennamen: Zwingli Julius_Ii Leo_X Leo Johann_Tctzel Johann Muth Martin_Luther
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Brandenburg Mainz Sachsen Wirths- Wittenberg
lichkeit in hohem Ansehen stand. Er war der Sohn eines un-
bemittelten Bergmannes, zu Eisleben am 10. November 1483
geboren. Nachdem er zuerst das Gymnasium zu Magdeburg,
dann zu Eisenach besucht hatte, bezog er, achtzehn Jahre alt,
die damalige Universität Erfurt, um sich nach dem Wunsche
seiner Eltern der Rechtswissenschaft zu widmen. Allein diese
entsprach des Jünglings Neigung nicht. Er widmete sich lieber
mit allem Eifer dem Studium der Theologie oder Religions-
wissenschaft, und ließ sich in das dortige Augustinerklofter auf-
nehmen. Das einförmige, abgeschlossene Leben aber machte ihn
bald trübsinnig und schwermüthig; eine schwächliche Gesundheit
erhöhte die Reizbarkeit seines Gemüthes. Dazu war seine
Seele durch vielfache Zweifel beängstigt, so daß er selbst das
Mitleid seiner Ordensbrüder erregte. Aus dieser drückenden
Lage befreite ihn endlich der Vorgesetzte seines Ordens, Doctor
Staupitz, der dem jungen Augustiner einen angemesseneren
Wirkungskreis eröffnete. Auf seine Empfehlung wurde er im
Jahre 1502 von dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich
dem Weisen, nach seiner neu gestifteten Universität Witten-
berg berufen. Freudig folgte er diesem Rufe, trat nun in das
Kloster zu Wittenberg und übernahm eine Lehrstelle in der
Philosophie. Zehn Jahre später vertauschte er diese nach dem
Wunsche seines Fürsten mit einer Lehrstelle in der Theologie
und übernahm zugleich das Predigtamt in der Schloßkirche.
Beide Aemter boten ihm eine schickliche Gelegenheit dar, mit
offener Freimüthigkeit die Mißbräuche zu rügen, die damals mit
dem Ablasse getrieben wurden. Seine Predigten regten mächtig
das Volk auf. Der Zudrang zu denselben war um so größer,
je kühner und ungewöhnlicher sie waren. Es kamen Gegen-
stände zur Sprache, von denen das Volk selbst Zeuge war,
und die jeder Vernünftige schon längst im Stillen mißbilliget
hatte. Denn eben jetzt trieben Tetzel und seine Genossen ihr
Unwesen mit dem Ablässe in der Gegend von Wittenberg.
Es war am Allerheiligenabend (am 31. Oktober) des
Jahres 1517, als Luther fünf und neunzig in lateinischer
Welter's Wcltgesch. Hi. 16. Aufl. 3
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Extrahierte Personennamen: Friedrich
dem_Weisen Friedrich
Sprache geschriebene Theses oder Lehrsätze, die sich hauptsächlich
auf den Ablaß bezogen, an die Schloßkirche zu Wittenberg
anschlagen ließ und alle Gelehrten aufforderte, dieselben in
einer öffentlichen Disputation zu prüfen. Das gab die zufällige
Veranlassung zur Kirchentrennung, ohne daß Luther dieselbe
bezweckt, oder auch nur geahnet hätte. Denn er hatte seine
Theses nicht als unwidersprechliche Wahrheiten, sondern lediglich
als Zweifel vorgebracht, die ihm aufgestoßen seien, und die er
jetzt, bloß in der Absicht, die Wahrheit auszumitteln und fest-
zustellen, einer öffentlichen Prüfung unterwerfe. Auch lag in
dem öffentlichen Anschlägen dieser Theses nichts Auffallendes,
denn das geschah gewöhnlich, wenn die Gelehrten sich zu einer
Disputation herausforderten.
Tetzel aber und mit ihm seine Ordensbrüder, die Do-
minikaner, wurden über die Kühnheit des Augustinermönchs
höchst entrüstet. In Predigten und Schriften zogen sie mit
heftigen Schmähungen gegen die Theses los, schalten den Ver-
fasser ohne weiteres einen Ketzer und nahmen dabei die Wen-
dung, daß ein Angriff auf den vom Papste angeordneten Ablaß
ein Angriff auf das Ansehen des Papstes und der Kirche selbst
sei. Diese bitteren Ausfälle auf Luther's Rechtgläubigkeit
reizten diesen zu einer noch heftigeren und bittereren Verthei-
digung, bei welcher ihn seine Ordensbrüder, die Augustiner,
welche ohnehin höchst eifersüchtig auf die Dominikaner waren,
in Schriften und Predigten auf das eifrigste unterstützten. So
traten diese beiden Orden feindselig gegen einander in die
Schranken, verloren aber im hitzigen Kampfe der Meinungen
nur zu oft die Ruhe des Urtheiles sowohl als des Gemüthes.
Was anfangs nur eine Angelegenheit der Gelehrten ge-
wesen war, wurde auch bald Sache des Volkes. In Witten-
berg und der ganzen Umgegend, wo die Augustiner zahlreich
und beliebt waren, ergriffen Viele Luther's Partei. Aber
nicht bloß in den engen Grenzen jenes Kurfürstenthumes setzten
sich die neuen Grundsätze fest, sie verbreiteten sich auch ver-
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37
Das war ein sehr günstiger Umstand für Luther; denn jetzt
konnte dieser unter dem Schutze seines hohen Gönners das
Werk der Reformation ungefährdet fortsetzen. Den eifrigsten
Mithelfer und Beförderer fand er an seinem gelehrten Freunde
und Amtsgenossen Philipp Melanchthon.
Als der Religionsstreit in Deutschland mit jedem Tage
ernster und bedenklicher wurde, schickte der Papst einen zweiten
Legaten, den sächsischen Edelmann Karl von Miltiz, dahin.
Dieser beschied Luther zu einer Unterredung nach Altenburg.
Im Januar 1519 kamen sie hier zusammen. Miltiz gewann
durch sanftes, freundliches Zureden das volle Vertrauen Lu-
ther's, so daß dieser gern versprach, von der ganzen Sache
zu schweigen, wenn auch seinen Gegnern gleiches Schweigen
auferlegt würde. Ja, es machte die Güte und Freundlichkeit
des Legaten einen so tiefen Eindruck auf den so reizbaren und
heftigen Charakter Luther's, daß dieser tief gerührt an den
Papst selbst ein Schreiben richtete, in welchem es unter andern
heißt: „Ich bezeuge vor Gott und allen Creaturen, daß ich
nie Willens gewest, noch heutiges Tages bin, der römischen
Kirche und Ew. Heiligkeit Gewalt auf einerlei Weise anzu-
greifen, oder mit irgend einer List etwas abzubrechen."
Allein jenes Schweigen wurde, wie auch voraus zu sehen
war, nicht beobachtet. Der Streit hatte einmal die Geister
über die Schranken der Mäßigung hinweggeführt, und es fehlte
an einem Mittel, sie zu beschwichtigen. Einer der größten
Gegner Luther's war Doctor Eck, Lehrer an der Universität
Ingolstadt in Bayern, ein sehr gelehrter und in der heiligen
Schrift vorzüglich bewanderter Mann. Dieser forderte einen
der eifrigsten Kämpfer für die neue Lehre, den Andreas
Karlstadt, Luther's Freund und Amtsgenossen, zu einem
gelehrten Wettstreite in Leipzig heraus. Im Juni des Jahres
1519 wurde dieser in Gegenwart des Herzogs Georg von
Sachsen und einer großen Volksmenge geführt und währte
neunzehn Tage hindurch. Auch Luther selbst fand sich ein und
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Melanchthon Philipp Karl_von_Miltiz Karl Luther Miltiz Andreas
Karlstadt Georg_von
Sachsen
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Altenburg Bayern Leipzig
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laden sei. — Uebrigens stand es auch fest, daß eine Disputation
in Glaubeussachen keinen Erfolg herbeiführen konnte; denn
Luther erkannte bloß die Bibel als Richtschnur des Glaubens
an, wollte aber immer nur seine eigene Auslegung als die
einzig richtige gelten lassen; die Autorität der Kirche verwarf er.
Einige Tage hindurch suchte man noch in Privatver-
sammlungen Luther von seiner Widersetzlichkeit abzubringen.
Vergebens! Endlich forderte ihn der Kurfürst von Trier auf,
selbst ein Mittel an die Hand zu geben, um alles wieder in
Ordnung zu bringen. Luther aber entgegnete ihm: „Ist dies
ein Menschenwerk, so wird es aus sich zergehen; ist cs aber
von Gott, so werdet ihr es nimmer zerstören." Da erklärte
der Kaiser feierlich: „er sei entschlossen, alle seine Reiche,
Länder, Freunde, ja das Leben selbst daran zu setzen, damit
dieses gottlose, ihm und dem deutschen Volke zur ewigen
Schande gereichende Unternehmen keinen weiteren Fortgang
habe." Sein kaiserliches Wort aber hielt er ihm und gewährte
ihm das freie Geleit auf ein und zwanzig Tage. Dann aber
sollte gegen ihn die Reichsacht in Geltung treten, wie gegen
alle die, welche ihm anhangen oder ihn schützen würden. Allein
für Luther's fernere Sicherheit war schon gesorgt. Am dritten
Tage nach seiner Abreise von Worms gab er dem Reichsboten
zu Friedberg den Geleitsbrief zurück und fuhr unter dem Schutze
einer berittenen Abtheilung seiner Freunde nach Eisenach.
Bei Altenstein im Thüringer Walde hieß er seine Begleiter
vorausreiten und die Herberge bestellen. Gleich darauf ritten
zwei Edelleute, Vertraute des Kurfürsten, verlarvt an den
Wagen heran, rissen ihn mit scheinbarer Gewalt heraus und
brachten ihn, als Ritter verkleidet, auf ein einsames Bergschloß
bei Eisenach, die Wartburg genannt. Der Ort seines
Aufenthaltes ward vor Freunden und Feinden sorgsam verbor-
gen. Er lebte auf demselben unter dem Namen Junker
Jö.rg und trug ritterliche Kleidung. Seine Gegner glaubten
ihn tobt; er aber arbeitete fleißig, übersetzte das neue Testa-
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ment, beantwortete die Vorwürfe seiner Feinde und schrieb
seinen Freunden Briefe des Trostes und der Ermunterung.
Noch wird aus der Wartburg die Wohnstube seines zehnmo-
natlichen Aufenthaltes gezeigt.
7. Die ersten Religionsnnruhen.
Marlstadt. — Aufstand der Dauern. — Thomas Münzer.
Kapstadt. — Luther hatte, den Katholiken gegenüber, stets
die Bibel für die einzige klare Quelle des Glaubens erklärt.
Auf diesen Grundsatz gestützt traten nun aber von Zeit zu
Zeit, aus der Mitte der Anhänger seiner Lehre selbst, auch
Andere auf, welche ihre Lehrmeinungen ebenfalls auf die Bibel
stützten, die biblischen Stellen aber wieder ganz anders auslegten,
als Luther. Der erste, welcher diese Bahn betrat, war der
früher genannte Karlstadt. Während Luther einsam auf
der Wartburg saß, kam es in Wittenberg durch Karlstadt zu
höchst stürmischen Auftritten. Nicht genug, daß er die ganze
Gestalt des öffentlichen Gottesdienstes umänderte, das Abend-
mahl Jedem, der es wollte, ohne vorgängige Beichte, unter
beiden Gestalten ertheilte; er rannte an der Spitze eines rohen
Haufens gleichgesinnter Mönche, Studenten und Bauern durch
die Kirchen, zerschlug Altäre und geweihte Gefäße, warf Bilder
und Beichtstühle hinaus und verübte rohe Gewalt gegen die,
welche sich seinen Rasereien widersetzten. Oft auch lief er
in die Werkstatt der Gerber und Schuhmacher, um sich von
diesen Leuten die heil. Schrift auslegeu zu lassen. Wenn sie
sich mit ihrer Unwissenheit entschuldigten, so berief er sich auf
den biblischen Spruch: „daß Gott den Einfältigen geoffenbart
habe, was den Weisen und Verständigen verborgen geblie-
den wäre." Sobald Luther von diesen und ähnlichen Gräuel-
thaten hörte, verließ er sogleich, selbst gegen den Willen seines
Kurfürsten, die Wartburg und eilte nach Wittenberg. Acht
Tage hinter einander predigte er mit eindringer Beredtsamkeit
gegen die wilde Meuterei und Bilderstürmerei, und es gelang
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48
und sobald die Kanonen donnerten, und die' Reiter heran-
sprengten, warf sich die. ganze Rotte der Bauern in die wil-
deste Flucht. Aber nun war die Neue zu spät. Fünftausend
wurden erschlagen, die Stadt Frankenhausen eingenommen, und
alsdann dreihundert Bürger und Bauern enthauptet. Münzer,
welcher einer der ersten gewesen war, welche die Flucht er-
griffen hatten, wurde in Frankenhausen auf einem Heuboden
entdeckt. Er starb unter dem Schwerte des Henkers klein-
müthig und verzagt.
So endete die neue christliche Gemeinde, und mit ihr der
ganze Aufstand der Bauern, in der Schlacht bei Frankenhausen
am 15. Mai 1525, wo der Schlachtberg bis auf diesen
Tag das Denkmal der Niederlage des Landvolkes ist. Nicht
ohne eigene Schuld fiel es in die alte Knechtschaft und Dienst-
barkeit zurück. — Im Ganzen wird die Zahl der Opfer des
Bauernkrieges etwa auf 100,000 berechnet; der Verlust an
zerstörtem Eigenthum, besonders auch an Kunstschätzen ist un-
berechenbar. Noch jetzt sind die Ruinen vieler Burgen und
Klöster Zeugen jenes Gewittersturmes, der über unser Vater-
terland zerstörend dahin fuhr)
8. Die Wiedertäufer in Münster (1533—1535).
Die eben erwähnte Secte der Wiedertäufer, welche alle
Grundlagen nicht nur der kirchlichen, sondern auch der bür-
gerlichen Gesellschaft zu zerstören drohete, schien seit dem Tode
ihres Stifters völlig ausgerottet zu sein; als einige Jahre
später der ganze Gräuel einer völlig ausgebildeten Umsturz-
partei in Münster, der Hauptstadt Westfalens, sich enthüllte
und jetzt von hier aus ganz Deutschland mit neuen Schrecknissen
erfüllte. In dem benachbarten Holland fand sich noch eine
große Menge Wiedertäufer, die alle festhielten an den Lehren,
welche damals Thomas Münzer über die Gleichheit aller
Menschen, über die Gütergemeinschaft und über die unmittel-
baren göttlichen Eingebungen an einzelne Menschen vorgebracht
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Extrahierte Personennamen: Thomas_Münzer
Extrahierte Ortsnamen: Frankenhausen Frankenhausen Frankenhausen Westfalens Deutschland Holland